• Mögliche Zinssenkungen in Europa könnten die Anleihenkurse in die Höhe treiben. Für Anlegerinnen und Anleger, die bereits Anleihen halten, wären das gute Nachrichten.
  • Ein Auseinanderdriften von Fed und EZB wird immer wahrscheinlicher, weshalb Anlegerinnen und Anleger in den kommenden Monaten mit höherer Volatilität an den Anleihenmärkten rechnen sollten.
  • Im Vergleich zu Staatsanleihen waren Unternehmensanleihen in diesem Jahr relativ stabil, die Risikoaufschläge liegen nur knapp über ihrem historischen Tiefstand.
     

In diesem Q&A erläutern die Spezialistinnen und Spezialisten des Vanguard Fixed Income Teams die Lage an den globalen Anleihenmärkten und mögliche Auswirkungen auf Kundenportfolios.

Das Anleihenjahr 2024 hat sich nicht ganz so entwickelt, wie Anlegerinnen und Anleger es vielleicht erwartet hatten. Zu Beginn des Jahres rechneten die Märkte mit sinkender Inflation und schwachem Wachstum – und daher mit aggressiven Zinssenkungen der großen Zentralbanken. Doch es kam anders: Die unerwartet robuste Konjunktur und zähe Inflation in den USA haben die US-Notenbank (Fed) veranlasst, mögliche Zinssenkungen zu verschieben und damit von dem geldpolitischen Kurs in Europa abzuweichen, wo die EZB die Zinsen voraussichtlich in den kommenden Monaten senken wird.

Die Spezialistinnen und Spezialisten des Vanguard Fixed Income Teams erläutern, wie sie die neuen Zinsprognosen, mögliche Divergenzen zwischen Fed und EZB und andere Einflussfaktoren einschätzen, die die Anleihenmärkte aktuell bewegen.

Frage: Ist die wirtschaftliche Divergenz zwischen Europa und den USA wichtig für Anlegerinnen und Anleger, die in Anleihen investieren?

Ales Koutny, Head of International Rates, Vanguard Europe:

Die Divergenz zwischen den Volkswirtschaften Europas und der USA ist das Ergebnis unterschiedlicher Wachstums- und Inflationsraten. In Europa ist die Konjunktur schwach und der Disinflationsprozess seit mehreren Quartalen im Gange, weshalb die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE) die Zinsen in nächster Zeit senken dürften. In den USA ist die Lage anders und Zinssenkungen noch in diesem Jahr aus unserer Sicht unwahrscheinlich.

Im vergangenen Jahr war die Inflation in den USA zurückgegangen, inzwischen ist sie jedoch wieder aufgeflammt, gleichzeitig wächst die US-Wirtschaft weiterhin überraschend stark. Die Anleihenmärkte glauben daher nicht mehr an eine Fortsetzung der Disinflation, weshalb die Renditen auf US-Staatsanleihen seit Jahresbeginn deutlich gestiegen sind.

Zinssenkungen durch die Fed vor Ende 2024 sind unwahrscheinlich, im Fall einer günstigen Konjunktur- und Inflationsentwicklung jedoch nicht völlig ausgeschlossen. Im umgekehrten Fall besteht sogar eine geringe Möglichkeit, dass die Fed die Zinsen wieder anhebt. Allerdings würde damit auch das Risiko einer Rezession steigen – welche Zinssenkungen nach sich ziehen würde. Falls die EZB (und danach die BoE) die Zinssätze tatsächlich senkt, könnten Anlegerinnen und Anleger mit höheren Renditen rechnen, zumal niedrigere Zinssätze im Allgemeinen zu steigenden Anleihenkursen führen.

Frage: Wie sollten Anlegerinnen und Anleger ihr Portfolio in Anbetracht der hohen Unsicherheit ausrichten?

Kelly Gemmell, Head of Fixed Income Product Specialism, Vanguard Europe:

Unerwartete geldpolitische Kurswechsel wirken sich normalerweise auf die Anleihenmärkte aus, Anlegerinnen und Anleger sollten daher in den kommenden Monaten mit weiterer Volatilität rechnen.

Anleihen sollen ein Anlegerportfolio in der Regel stabilisieren, und bei dem aktuellen Renditeniveau ist diese Eigenschaft besonders wichtig. Die aktuellen Renditen gewährleisten solide Erträge und können daher zumindest einen Teil der künftigen Volatilität der Anleihenkurse auffangen. Der Bloomberg Global Aggregate Credit Index beispielsweise wirft aktuell eine Rendite von knapp 5% ab; das bedeutet: Die Zinserwartungen müssten gegenüber dem aktuellen Niveau um mehr als 0,75% steigen, bevor wir negative Renditen erwarten würden1.

Frage: Können Sie Ihre Prognosen für die Unternehmensanleihenmärkte erläutern?

Sarang Kulkarni, Lead Portfolio Manager, Investment-Grade Credit, Vanguard Europe:

Unternehmensanleihen waren seit Jahresbeginn im Vergleich zu Staatsanleihen relativ stabil. In Europa sind die Kreditrisikoaufschläge höher als in den USA, aber der Abstand verringert sich. Der Grund dürften Rating-Anhebungen mehrerer High-Yield-Emittenten auf Investment-Grade-Niveau sein, die die Märkte optimistisch stimmen.

Trotz der höheren Unsicherheit ist die Lage an den Unternehmensanleihemärkten nicht vergleichbar mit der Volatilität des Jahres 2022, als steigende Risikoaufschläge zu Verlusten für Anlegerinnen und Anleger geführt haben. Heute sinken die Spreads und liegen unter ihren historischen Durchschnittswerten, wovon Anlegerinnen und Anleger profitiert haben.

Wir sollten dazu sagen, dass die ohnehin schon niedrigen Risikoaufschläge nicht unbedingt weiter zurückgehen müssen, damit Unternehmensanleihen Mehrrenditen abwerfen. Solange sich die Spreads innerhalb einer festen Spanne bewegen, können Unternehmensanleihen weiterhin Mehrrenditen gegenüber Staatsanleihen abwerfen – sofern die Konjunktur stabil bleibt. In der Vergangenheit konnten Anlegerinnen und Anleger unter ähnlichen Bedingungen gute Renditen abschöpfen. In den Jahren 2004 bis 2007, die durch relativ stabile Konjunktur, Inflation und Zinsen geprägt waren, wurden Unternehmensanleihen sogar zu noch niedrigeren Spreads gehandelt2, weshalb Anlegerinnen und Anleger in diesem Zeitraum positive Überschussrenditen erzielen konnten3.

Frage: Sind höhere Renditen ein Problem für Anlegerinnen und Anleger?

Kelly: Höhere Renditen bedeuten normalerweise bessere Anlageergebnisse, machen jedoch auch Barmittel attraktiver, die kurzfristig eine ähnliche Rendite abwerfen können wie Anleihen. Langfristig dürften Anleihen jedoch attraktivere Renditen abwerfen, außerdem können sie, anders als Bargeld, ein Portfolio diversifizieren und Aktienvolatilität in unruhigen Marktphasen abfedern. Wenn die Zentralbanken die Zinsen senken, steigen die Kurse ausstehender Anleihen. Mit Bargeld auf dem Sparkonto können Anlegerinnen und Anleger nicht von steigenden Kursen profitieren – und müssen stattdessen zusehen, wie ihre Sparzinsen fallen.

Frage: Wie lassen sich in dem aktuellen Marktumfeld Währungsrisiken steuern?

Kelly: Wegen möglicher Volatilität an den Devisenmärkten – insbesondere in Anbetracht der erwarteten Divergenz zwischen Fed und EZB – raten wir zur Absicherung von Währungsrisiken, denn so können Anlegerinnen und Anleger die Volatilität ihres Anleihenportfolios reduzieren und die Wertentwicklung berechenbarer machen.

Frage: Welche Anleihenstrategien empfehlen Sie im aktuellen Marktumfeld?

Sarang: Anstatt sich an Markt-Timing zu versuchen, raten wir Anlegerinnen und Anlegern zur Diversifizierung ihrer Portfolios, denn so können sie Risiken reduzieren.

Kelly: In ungewissen Marktphasen können sich aktive Strategien besonders auszahlen. Aktive Fonds können Volatilität an den Anleihenmärkten und die daraus resultierenden Chancen nutzen und gleichzeitig Verlustrisiken begrenzen. So können Anlegerinnen und Anleger bei gleichem Risiko potenziell höhere risikobereinigte Renditen abschöpfen.

Dazu müssen sie natürlich den richtigen aktiven Fondsmanager finden. Wir empfehlen Manager, die Wert auf sorgfältige Risikosteuerung in ihren Anlageprozessen legen. Risikokontrolle war schon immer ein wichtiger Aspekt aktiver Strategien, ist jedoch in unsicheren Marktphasen noch wichtiger.

Außerdem sollten Anlegerinnen und Anleger nach einem Manager suchen, der beständig und unter unterschiedlichen Marktbedingungen Alpha erzielen konnte. Dies gelingt nicht durch direktionale Top-down-Wetten, die oft nur die Marktentwicklung nachbilden und so in volatilen Marktphasen größere Verluste generieren können, sondern nur durch effizientes Ausschöpfen von Relative-Value-Potenzial.

Dieser Artikel enthält Auszüge aus unserem Webinar „Ausblick auf die Anleihenmärkte“. Das vollständige Video zum Webinar können Sie hier abrufen.

 

Quelle: Vanguard und Bloomberg; Stand: 31. Mai 2024. Berechnung auf Grundlage des Bloomberg Global Aggregate Credit Total Return Index (Hedged USD).

Quelle: Bloomberg und Vanguard. In den Jahren 2004 bis 2007 betrugen die Risikoaufschläge für Investment-Grade-Anleihen im Durchschnitt etwa 0,7%, aktuell sind es dagegen 0,9 bis 1,0%. Berechnung auf Grundlage des optionsbereinigten Spread des Bloomberg Global Aggregate Corporate Index (USD Hedged) für die Zeiträume 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2007 und 1. Januar 2024 bis 31. März 2024.

Quelle: Vanguard und Bloomberg. Berechnung auf Grundlage des Bloomberg Global Aggregate Corporate Index (USD Hedged) für den Zeitraum 1. Januar 2004 bis 1. Januar 2007.

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Der Wert der Investitionen und die daraus resultierenden Erträge können steigen oder fallen, und Investoren können Verluste auf ihrer Investitionen erleiden.

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Manche Fonds investieren in Schwellenländern, die im Vergleich zu entwickelteren Märkten volatiler sein können. Infolgedessen kann der Wert Ihrer Anlagen steigen oder fallen.

Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren, bergen das Risiko eines Zahlungsausfalls bei Rückzahlungen und einer Beeinträchtigung des Kapitalwerts Ihrer Investition. Außerdem kann das Ertragsniveau schwanken. Änderungen der Zinssätze haben wahrscheinlich Auswirkungen auf den Kapitalwert von festverzinslichen Wertpapieren. Unternehmensanleihen können höhere Erträge abwerfen, bergen aber auch ein höheres Kreditrisiko. Dadurch steigt das Risiko eines Zahlungsausfalls bei Rückzahlungen und einer Beeinträchtigung des Kapitalwerts Ihrer Investition. Das Ertragsniveau kann schwanken und Änderungen der Zinssätze haben wahrscheinlich Auswirkungen auf den Kapitalwert von Anleihen.

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