Jahrzehnte des lockeren Geldes, negativer Zinsen und der eisernen Steuerung der Zinskurve konnten die japanische Wirtschaft nicht aus ihrem Tief befreien. Symptomatisch für ihren schlechten Zustand war die mickrige Inflation, die sich zeitweise gar in eine Deflation wandelte.
Doch jetzt erledigt Japan seine eigene Zeitenwende. Zu Jahresbeginn hob die japanische Zentralbank ihre Zinsen an und weitere Schritte in diese Richtung dürften folgen. Auch der neue Premierminister wird diese Dynamik wohl nicht bremsen. Ganz im Gegenteil: Shigeru Ishiba scheint der neuen Geldpolitik der Bank of Japan wohlgesonnener als sein Vorgänger.
Es waren wahrscheinlich zwei Impulse, die Japan aus der Deflation und in ein moderates Wachstum brachten: die Covid-Pandemie und der Ukrainekrieg. Diese beiden Ereignisse lösten bei Rohstoffen und Energie einen Preisschock aus, den sich Japan über den Import dieser Güter ins Land holte. Die berühmte Lohn-Preis-Spirale begann zu drehen und zum ersten Mal seit über zwei Jahren zogen die Reallöhne an. Dieser Lohnanstieg beschleunigt nun die Kerninflation und auch die Inflationserwartungen wurden bereits nach oben korrigiert. Für eine Wirtschaft, die so lange stagnierte, ist dieser Trend ein Segen.
Lohn-Preis-Spirale auf Japanisch
Hinweise: Das Diagramm zeigt den statistischen Koeffizienten zur Messung der Sensitivität der Inflation gegenüber Änderungen am Lohnwachstum. Für die Kerninflation wird das von der Bank of Japan bevorzugte Maß herangezogen, das die volatilen Preise für Energie und frische Lebensmittel außer Acht lässt.
Quellen: Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Daten von CEIC, dem japanischen Ministerium für Innere Angelegenheiten und Kommunikation sowie dem japanischen Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales; Stand; 31. März 2024.
Bei den Preissteigerungen scheint es sich nicht einfach nur um einen weiteren Fehlstart zu handeln. Nun, da die Reallöhne anziehen, treibt der private Konsum die Nachfrage an. Damit ist ein echter, tiefgreifender Paradigmenwechsel wahrscheinlicher als ein einmaliger Schock. Und da die Bevölkerungszahlen in Japan schrumpfen und die Menschen auch dort immer älter werden, dürfte der Aufwärtsdruck auf die Löhne anhalten.
Es ist davon auszugehen, dass die Löhne in den großen Unternehmen des Landes nach der jährlichen Verhandlungsrunde um über 5 % steigen werden. Obwohl die Verbraucherinnen und Verbraucher in keinem anderen Land der Welt so hohe Sparquoten vorweisen können, werden auch sie ihr Extra-Einkommen ausgeben wollen. Darüber hinaus ist die Inflation im Dienstleistungsbereich hartnäckiger und somit längerfristig.
In diesem inflationären Umfeld hat die Bank of Japan (BoJ) ihre negative Zinspolitik beendet und die Zinsen leicht angehoben. Gleichzeitig hat sie ihr monatliches Anleihekaufprogramm etwas zurückgefahren.
Es gilt als wahrscheinlich, dass die BoJ ihre Geldpolitik weiter normalisieren wird, wenn auch mit Augenmaß. Die konkrete Ausgestaltung wird sich nicht nur an der Inflationsentwicklung orientieren, sondern auch am Wechselkurs und der Lage an den Kapitalmärkten. Zinserhöhungen werden wahrscheinlicher, wenn sich der Yen gegenüber dem US-Dollar abschwächt und die Kapitalmärkte stabil bleiben. Zieht der Yen jedoch zu stark an oder treten an den Märkten starke Turbulenzen auf, könnte die BoJ das Tempo ihrer Zinserhöhungen drosseln und gänzlich auf weitere Erhöhungen verzichten.
Vanguard rechnet in seinem Basisszenario 2024 mit einer weiteren Erhöhung um 25 Basispunkte sowie mit zwei weiteren Erhöhungen um jeweils 25 Basispunkte im nächsten Jahr. Im Markt hingegen werden kleinere Zinserhöhungen eingepreist.
Dem von Vanguard entwickelten Modell zufolge sind die Fundamentaldaten in der langfristigen Beziehung zwischen Yen und US-Dollar stabil. Durch Zentralbankmaßnahmen auf beiden Seiten des Pazifik kommt es zwar zu zyklischen Schwankungen, die sich im Zuge der Angleichung der noch diametralen Geldpolitik jedoch normalisieren dürften.
Der Yen dürfte sich im Zuge der Normalisierung der Geldpolitik auf beiden Seiten des Pazifik wieder seinem Fair Value annähern
Hinweise: Bei der Fair-Value-Spanne handelt es sich um eine Standardschätzung von Vanguard zu- bzw. abzüglich einer halben Standardabweichung. Unsere Fair-Value-Schätzungen sind eine unternehmenseigene Messgröße, die den US-Dollar mit einigen Industrieländerwährungen, darunter auch dem Yen, vergleicht. Die Fair-Value-Schätzung beruht auf dem Anteil der Wechselkursbewegungen, der sich durch Unterschiede in der relativen Wirtschaftskraft, gemessen an der Produktivität (kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf) und den langfristigen realen Zinssätzen erklären lässt.
Quellen: Berechnungen von Vanguard auf Grundlage von Daten von Refinitiv und dem Internationalen Währungsfonds; Stand: 31. März 2024. Tatsächliche Wechselkurs bis 31. August 2024.
WICHTIGE HINWEISE: Die Prognosen sowie andere Informationen, die von dem Vanguard Capital Markets Model (VCMM) generiert werden und die Wahrscheinlichkeit verschiedener Anlageergebnisse zum Gegenstand haben, sind naturgemäß hypothetisch, stellen keine tatsächlichen Anlageergebnisse dar und garantieren keine zukünftigen Erträge. Die Verteilung der Renditen des VCMM wird aus 10.000 Simulationen für jede modellierte Assetklasse abgeleitet. Simulationen per 31. März 2024. Die Ergebnisse des Modells können mit jeder Nutzung sowie im Laufe der Zeit variieren. Weitere Angaben finden Sie auf den Abschnitt „Anmerkungen“ unten.
In Sachen Geldzyklus ist Japan heute dort, wo die USA und die meisten anderen Industrieländer vor zwei Jahren waren. Da nun aber die BoJ ihre Zinsen anhebt, während die US-Notenbank (Fed) die ihrigen senkt, werden sich die Zinsniveaus annähern, wodurch der Yen wahrscheinlich gegenüber dem US-Dollar aufwerten wird. Aktuell ist die Zinskurve in Japan steiler als in den USA. Wir rechnen damit, dass sich die US-Zinskurve im Zuge der Zinssenkungen durch die Fed versteilert. Ebenso dürfte die japanische Zinskurve im Zuge der Zinssteigerungen der BoJ abflachen.
Die strukturellen Veränderungen in Japan zeigen sich nicht nur in Zinskurven und Währungen. In der Vergangenheit haben die Zinsüberraschungen der BoJ den japanischen Anleihemarkt für ausländische Anlegerinnen und Anleger unattraktiv gemacht. Darüber hinaus hält die japanische Zentralbank auch die Mehrheit der japanischen Staatsanleihen, wodurch Kurse und Renditen nicht mehr die wahren Marktkräfte widerspiegeln. Doch die BoJ hat sich nun mehr Transparenz auf die Fahnen geschrieben und signalisiert ihre Zinsentscheidungen im Vorfeld. Und obwohl sie immer noch 55 % der japanischen Staatsanleihen hält, hat sie ihr Anleihekaufprogramm zurückgefahren. Dadurch steigen die Chancen, dass der Yen wieder seinen Fair Value erreicht.
Mit einer stagnierenden Wirtschaft und einer den Anleihemarkt dominierenden BoJ haben Anlegerinnen und Anleger in Japan in den letzten Jahrzehnten nichts verpasst. Nun aber wandelt sich der Markt zu einer möglichen Alpha-Quelle.
In Anbetracht dieses Wandels sollten Anlegerinnen und Anleger ihre langfristige Asset-Allokation auf den Prüfstand stellen. Erstarkt der Yen, steigen auch die Renditen von Anlagen in Währungen, die gegenüber dem Yen verlieren. Nicht ganz so einfach gestaltet sich die Lage im Anleihebereich. Höhere Zinsen würden kurz- bis mittelfristig zu einer höheren Volatilität führen, die durch einen stärkeren Yen jedoch zumindest in Teilen ausgeglichen werden könnte. Auf längere Sicht hingegen verheißen höhere Zinsen auch höhere Renditen, was die Bedeutung japanischer Anleihen in einem global diversifizierten Portfolio verstärkt.
WICHTIGER HINWEIS: Die Prognosen sowie andere Informationen, die von dem Vanguard Capital Markets Model® generiert werden und die Wahrscheinlichkeit verschiedener Anlagerergebnisse zum Gegenstand haben, sind naturgemäß hypothetisch, stellen keine tatsächlichen Anlagerergebnisse dar und garantieren keine zukünftigen Erträge. Die Ergebnisse des Modells werden mit jeder Nutzung sowie im Laufe der Zeit variieren. Die Prognosen des VCMM basieren auf statistischen Analysen und historischen Daten. Zukünftige Renditen können von den im VCMM erfassten historischen Mustern abweichen. Noch wichtiger ist jedoch, dass das VCMM extrem negative Szenarios unterschätzen kann, die in den historischen Zeiträumen, auf denen die Modellschätzungen beruhen, nicht vorkamen.
Das Vanguard Capital Markets Model® ist ein firmeneigenes Finanz-Simulationsinstrument. Es wurde von den primären Investment-Research- und Beratungsteams von Vanguard entwickelt und wird von diesen gewartet. Das Modell prognostiziert die Verteilung zukünftiger Renditen für zahlreiche Assetklassen. Zu diesen Assetklassen gehören die US-amerikanischen und internationalen Aktienmärkte, US-Treasuries und Unternehmensanleihen mit verschiedenen Laufzeiten, internationale Anleihemärkte, US-Geldmärkte, Rohstoffe sowie bestimmte alternative Anlagestrategien. Die theoretische und empirische Grundlage des Vanguard Capital Markets Model ist die Beziehung zwischen Rendite und Risiko: Die Renditen zahlreicher Assetklassen sind der von Anlegern im Gegenzug für bestimmte Arten von systematischem Risiko (Beta) verlangte Ausgleich. Das Modell beruht im Kern auf Schätzungen der dynamischen statistischen Beziehung zwischen Risikofaktoren und Asset-Renditen. Diese erhalten wir durch statistische Analyse monatlicher Finanz- und Wirtschaftsdaten, die bis in das Jahr 1960 zurückreichen. Mithilfe eines Systems von Gleichungsschätzungen führt das Modell eine Monte Carlo-Simulation durch, um die geschätzten Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Assetklassen sowie Ungewissheit und Zufälle langfristig zu prognostizieren. Das Modell generiert eine große Anzahl simulierter Ergebnisse für jede Assetklasse über verschiedene Zeiträume. Die Prognosen werden durch Berechnung der Zentraltendenzen in diesen Simulationen gewonnen. Die Ergebnisse des Modells variieren mit jeder Nutzung sowie im Laufe der Zeit.
Der Wert des VCMM liegt primär in seiner Anwendung für die Analyse potenzieller Kundenportfolios. VCMM-Prognosen für einzelne Assetklassen – bestehend aus Verteilungen der erwarteten Renditen, Volatilitäten und Korrelationen – sind der Schlüssel zur Bewertung potenzieller Verlustrisiken, verschiedener Risiko-Rendite-Zielkonflikte sowie der Diversifizierungsvorteile unterschiedlicher Anlageklassen. Zwar werden mit jeder Renditeverteilung auch Zentraltendenzen generiert, allerdings lassen sich die Ergebnisse des VCMM am effektivsten nutzen, indem man das gesamte Spektrum möglicher Ergebnisse für die untersuchten Assetklassen betrachtet.
Das VCMM generiert ein breites Spektrum möglicher Ergebnisse und soll so die Unsicherheit von Prognosen darstellen. Es ist wichtig zu verstehen, dass das VCMM den Renditeverteilungen keine „Normalität“ aufzwingt, sondern vielmehr von den sogenannten „Fat Tails“ (Extremrisiken) und der Schiefe in der empirischen Verteilung der modellierten Assetklassenrenditen beeinflusst wird. Innerhalb eines breiten Ergebnisspektrums können Anlegerinnen und Anleger sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen, was die Vielfältigkeit der möglichen zukünftigen Pfade unterstreicht. Tatsächlich ist dies einer der wichtigsten Gründe, warum wir Renditeprognosen als Verteilung darstellen.
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