„Wir haben einen asymmetrischen Vorteil gegenüber unseren Wettbewerbern und können opportunistisch investieren, wenn andere sich das nicht leisten können.“
Global head of Vanguard Fixed Income Group
Vanguard ist vor allem für Indexfonds bekannt, ist jedoch auch der weltweit größte Manager aktiver US-Anleihefonds.1 Vor dem Hintergrund der Schlagzeilen um den Zusammenbruch zweier US-Banken haben wir die Leiterin der Vanguard Fixed Income Group, Sara Devereux, um eine Einschätzung der Lage gebeten. In diesem Interview erklärt Frau Devereux, wie es zu den Insolvenzen kam, wie die Vanguard Anleihefonds durch das turbulente Marktumfeld gekommen und wie gut sie für weitere Volatilität aufgestellt sind.
Sara Devereux: Die aktuelle Lage unterscheidet sich wesentlich von der des Jahres 2008. Sie ist nicht vergleichbar mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers während der Subprime-Hypothekenkrise, bei dem es um Kontrahentenrisiken bei komplexen Derivaten ging. Bei den Banken, die gerade Schlagzeilen machen, lagen die Probleme im Risikomanagement traditioneller Vermögenswerte, die durch den schnellen Anstieg der Zinsen offensichtlich wurden. Die Banken mussten Anleihen, die deutlich unter ihrem Nennwert notierten, verkaufen und Verluste realisieren.
Vielleicht hätten sie überlebt, wenn sie nicht das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden verloren hätten. Während der Finanzkrise haben wir systemische Ansteckung beobachtet, hier handelte es sich eher um eine „Stimmungsübertragung“. Die Vanguard Volkswirtinnen und Volkswirte gehen davon aus, dass Regierungen und Zentralbanken den Schaden durch schnelle Entscheidungen begrenzen konnten.
Wir arbeiten eng mit dem Vanguard Economics Team zusammen und sehen uns durch die Entwicklung in unserem Basisszenario bestätigt: Wir gehen von einer möglichen Disinflation aus, die jedoch mit einer milden Rezession in den Industrieländern, einschließlich der USA, im Laufe dieses Jahres einhergehen wird.
Devereux: Das Exposure unserer aktiv verwalteten Anleihefonds gegenüber den betroffenen Banken war minimal, unsere OGAW-Fonds waren nicht an dem zusätzlichen Kernkapital (AT1)2 dieser Banken beteiligt. Unser Team hat beim Risikomanagement und bei der Wertpapierauswahl hervorragende Arbeit geleistet.
Zu Jahresbeginn waren die Märkte überzeugt, dass eine sanfte Landung der Wirtschaft gelingen oder ein Konjunkturrückgang vielleicht sogar ganz vermieden werden könnte. Einige Marktteilnehmer sind daher höhere Risiken eingegangen. Wir haben uns jedoch nicht blenden lassen und waren auch zu Jahresanfang von der realen Möglichkeit einer Rezession überzeugt.
Wir sagen nicht, dass eine Rezession unvermeidbar ist. Aber wir sind für jeden Sturm und mögliche Auswirkungen auf die Wertpapierauswahl gewappnet.
Devereux: Wir sind defensiv aufgestellt und haben die nötige Liquidität aufgebaut, um auf günstige Gelegenheiten reagieren zu können. Längere Phasen hoher Unsicherheit begünstigen unsere Philosophie, unser diszipliniertes Risikomanagement und die Stärken unserer aktiven Fonds.
Unsere niedrige Kostenquote verschafft uns zudem einen asymmetrischen Vorteil: Bei attraktiven Gelegenheiten können wir das gleiche Risiko eingehen wie unsere Wettbewerber; in einem weniger günstigen Risiko-/Renditeumfeld – wenn beispielsweise die erwarteten Renditen die Risiken wie das Risiko einer Rezession nicht ausreichend kompensieren – können wir das Portfoliorisiko reduzieren und auf eine defensivere Strategie umstellen. Möglich ist das nur dank niedriger Gebühren. Mitbewerber können dagegen unter Druck geraten und sich gezwungen sehen, ihre höheren Gebühren durch höhere Risiken auszugleichen. Wir können opportunistisch investieren, wenn andere sich das nicht leisten können. Mit anderen Worten: In guten Zeiten streben wir dieselben Renditen an wie andere Fonds, in schlechten Zeiten bessere. Und wir sehen uns in der Wertentwicklung unserer aktiven OGAW-Anleihefonds bestätigt.
Die kommenden Monate könnten turbulent werden. Wie die jüngste Zinserhöhung der US-Notenbank (Fed) zeigt, ist der Kampf gegen die Inflation noch nicht vorbei. Wir nähern uns jedoch dem Ende des Zinserhöhungszyklus der großen Zentralbanken.
Zu den positiven Aspekten der Zinserhöhungen des vergangenen Jahres gehört mehr Spielraum: Die Fed kann jetzt bei Bedarf die Zinsen senken – eine Option, die sie nicht hatte, als die Zinsen fast bei null lagen.
Devereux: Die US-Regierung hat hinter den Kulissen einiges getan und bestimmten Banken geholfen, ihre Reserven auszubauen und so die Gefahr einer Ansteckung zu reduzieren. Zudem haben Anlegerinnen und Anleger in den vergangenen Wochen in großem Umfang in kurzfristige Anleihen investiert, Geldmarktfonds haben weltweit erhebliche Mittelzuflüsse ausgewiesen. Das liegt zum Teil an der Flucht in Qualität nach dem Schock der Zusammenbrüche zweier Banken, aber auch an der attraktiven Verzinsung kurzfristiger Anleihen.
Die Effektivverzinsung ist in allen Segmenten der Anleihemärkte gestiegen, was höhere Renditen erwarten lässt. Wer Anleihen aufgrund der schwachen Wertentwicklung der vergangenen Jahre gemieden hat, sollte jetzt vielleicht über einen Ausbau nachdenken. Anleihen eignen sich langfristig sehr gut zur Diversifizierung von Aktienrisiken und sind aktuell attraktiv verzinst.
Außerdem steigen die Kurse von Anleihen meist während einer Rezession, und eine Rezession entspricht unserem Basisszenario. Wir empfehlen eine defensive Ausrichtung mit Schwerpunkt auf risikoarme Anleihen. Am Markt für Unternehmensanleihen sehen wir zahlreiche Renditequellen, allerdings kommt es vor dem Hintergrund einer absehbaren Rezession auf sorgfältige Auswahl an – und genau darin sind die Investment Teams unserer aktiven Anleihefonds besonders gut.
1 Dies ist nicht die erste turbulente Marktphase, die wir erleben, und es wird auch nicht die letzte sein. Dank unserer Disziplin im Portfoliomanagement können wir uns jedoch auf die langfristige Entwicklung konzentrieren und Marktschwankungen überstehen.
2 AT1 steht für zusätzliches Kernkapital (Additional Tier 1). AT1 wurde mit Basel III nach der Finanzkrise eingeführt und ersetzt den früheren Begriff „Tier 1 Securities“. Seit der Finanzkrise sind AT1-Schuldscheine ein wesentlicher Bestandteil der Bail-in-Regelung der Aufsichtsbehörden und sowie der regulatorischen Eigenkapitalanforderungen der Banken. „OGAW“ (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren) ist der Name des Regulierungsrahmens europäischer Fonds.
Wichtige Hinweise zu Anlagerisiken
Der Wert der Investitionen und die daraus resultierenden Erträge können steigen oder fallen, und Investoren können Verluste auf ihrer Investitionen erleiden.
Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren, bergen das Risiko eines Zahlungsausfalls bei Rückzahlungen und einer Beeinträchtigung des Kapitalwerts Ihrer Investition. Außerdem kann das Ertragsniveau schwanken. Änderungen der Zinssätze haben wahrscheinlich Auswirkungen auf den Kapitalwert von festverzinslichen Wertpapieren. Unternehmensanleihen können höhere Erträge abwerfen, bergen aber auch ein höheres Kreditrisiko. Dadurch steigt das Risiko eines Zahlungsausfalls bei Rückzahlungen und einer Beeinträchtigung des Kapitalwerts Ihrer Investition. Das Ertragsniveau kann schwanken und Änderungen der Zinssätze haben wahrscheinlich Auswirkungen auf den Kapitalwert von Anleihen.
Wichtige allgemeine Hinweise
Nur für professionelle Anleger (nach den Kriterien der MiFID II-Richtlinie), die auf eigene Rechnung investieren (einschließlich Verwaltungsgesellschaften (Dachfonds) und professionelle Kunden, die im Namen ihrer diskretionären Kunden investieren). In der Schweiz nur für professionelle Anleger. Nicht für die öffentliche Verbreitung bestimmt.
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