Frauen zum Beispiel werden manchmal als „Doppelerben“ bezeichnet: In den USA leben sie im Durchschnitt fünf und weltweit sogar sieben Jahre länger als Männer 1, außerdem sind sie überall auf der Welt im Durchschnitt etwas jünger als ihre männlichen Ehepartner. 

Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es auch in den Anlagegewohnheiten, wie eine Vanguard Untersuchung 3 unter Privatanlegerinnen und -anlegern in den USA zeigt: Frauen beginnen tendenziell später im Leben mit dem Sparen als Männer, haben eher jährliche Spardefizite und verfügen häufiger über nicht investierte Reserven. Sie eröffnen ihr Altersvorsorgedepot in der Regel zwei Jahre später als Männer und ihr Anlagehorizont ist kürzer.  

Doch trotz mehrerer nennenswerter Unterschiede entwickeln nur wenige Beraterinnen und Berater ein Service-Angebot, das speziell auf Kundinnen zugeschnitten ist – womöglich ein Versäumnis in Anbetracht der Tatsache, dass Frauen im Rahmen des Großen Vermögenstransfers 4 zunächst mehr erben werden als Männer. Vielleicht liegt hier die Antwort auf die Frage, wie Beraterinnen und Berater das gewonnene Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden während dieses Vermögenstransfers erhalten können: indem sie diese Unterschiede verstehen und ihr Wissen mit ihren Kundinnen und Kunden teilen.

Engagement

Engagement und Dialog sind Eckpfeiler jeder erfolgreichen Beratungsbeziehung und einer der wichtigsten Aspekte der Arbeit von Beraterinnen und Beratern. Um den Vermögenstransfer zu unterstützen, ist ein gründliches Verständnis der Bedürfnisse, Ziele und Persönlichkeit Ihrer Kundinnen und Kunden von entscheidender Bedeutung. Ebenso wichtig für eine fundierte und zielgerichtete Beratung sind häufige Gespräche, Einschätzungen und regelmäßige Updates. 

  • Engagement beginnt damit, dass Sie Ihre Kundinnen und Kunden identifizieren. Wer sind sie? Sind sie verheiratet oder unverheiratet? Haben sie Kinder? Wie hoch ist ihr Anlagevermögen und wie ist es investiert? Welches sind ihre wichtigsten Einkommensquellen? Wenn eine Kundin einen Partner hat, wie oft sprechen Sie mit diesem Partner? Und wenn ein Kunde Kinder oder andere Erbinnen und Erben hat, wie oft haben Sie mit diesen zu tun? Um sich ein umfassendes Bild von Ihren Kundinnen und Kunden, ihrem Vermögen und ihren wichtigsten Beziehungen zu machen, sollten Sie sorgfältig überprüfen, welche Chancen und Risiken sich aus jedem dieser Attribute ergeben.

  • Sobald Sie die wichtigsten Informationen gesammelt haben, können Sie Ihren Kundenstamm segmentieren. Neben den traditionellen Segmentierungskriterien wie Vermögen, Beruf und Anlagestil können Sie Ihren Kundenstamm auch unter dem Aspekt der Nachlassplanung genauer kategorisieren, zum Beispiel nach der Anzahl der Erbinnen und Erben oder bereits bestehenden Planungsschritten, was die Priorisierung erleichtert. Ein Beispiel: Eine weibliche Babyboomer-Rentnerin mit einem Immobilienportfolio im Wert von 6 Millionen Euro wird wahrscheinlich andere Bedürfnisse haben als ein erwerbstätiger Mann der Generation X mit Ersparnissen von 1 Million Euro. Welche Strategie für die Nachlassplanung ist für welches Kundenprofil das richtige?

  • Ausgestattet mit einem soliden Grundwissen können Sie mit Ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt treten, sobald sich eine passende Gelegenheit ergibt. In den verschiedenen Phasen des Beratungsprozesses gibt es zahlreiche Gelegenheiten für einen produktiven Dialog – bei der ersten Kontaktaufnahme, bei regelmäßigen Finanzplanungsgesprächen, jährlichen Überprüfungen, Gesprächen über Zielanpassungen, Veranstaltungen und anderen Anlässen. Auch jenseits von Routineterminen gibt es Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme – ein kurzer Anruf oder ein Treffen zum Mittagessen sind hervorragende Gelegenheiten, Ihre Kundinnen und Kunden besser kennenzulernen, ihre Ziele besser zu verstehen und hilfreiche Informationen auszutauschen.

Einbindung der Familie

Für Beraterinnen und Berater liefert die Umfrage eine Menge nützlicher Daten. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, sich in gewissem Umfang auf den Verlust kognitiver Leistungsfähigkeit im Alter vorzubereiten – ein positives Ergebnis.  

Erfolgreicher Vermögenstransfer von einer Generation auf die nächste setzt ein genaues Verständnis der familiären Beziehungen voraus. Sind die Partner und Familienmitglieder über Nachlasspläne informiert? Wenn ja, auf welchem Stand sind sie? Wie stark sind die Erbinnen und Erben in die Familienfinanzen involviert, wie vertraut sind sie mit den Zielen und Wünschen Ihrer Kundin oder Ihres Kunden? Wie gut sind die Erbinnen und Erben auf den Erhalt des zu verteilenden Vermögens vorbereitet? Sind sie qualifiziert, dieses Vermögen zu verwalten? Für einen Mangel an Vorbereitung kann es zahlreiche Gründe geben, zum Beispiel Alter, Lebensumstände, Entfremdung oder mangelndes Interesse an Finanzangelegenheiten. Und Beraterinnen und Berater können Erbinnen und Erben im Umgang ihrer neuen finanziellen Situation von großem Nutzen sein.

Dekorativ

In alternden Gesellschaften sind die Erbinnen und Erben oft selbst bereits weit im mittleren Alter, doch unabhängig vom Alter liegt es in Ihrer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie für alle Eventualitäten gut gerüstet sind. Sie können dafür sorgen, dass die Familie für den Notfall einen Plan und eine Nachfolgestruktur hat, an die sie sich halten kann.

Einwände und Meinungsverschiedenheiten sind ein natürlicher Bestandteil der Nachfolgeplanung und Vermögensübertragung. Möglicherweise haben Kundinnen und Kunden Sorge, ihre Kinder könnten noch nicht reif genug für ein größeres Vermögen sein, und wollen die Übertragung des Vermögens daher an ein bestimmtes Alter koppeln; vielleicht ist ihnen nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihre Nachkommen zu viele Informationen über ihr Vermögen und ihren Nachlass erhalten; vielleicht wollen sie ihr Erbe nicht gleich aufteilen oder einige Nachkommen ganz enterben; möglicherweise sind sie sich unsicher, wie sie mit den Partnern der Erbinnen und Erben umgehen sollen; diese Liste ließe sich fortsetzen. 

Beraterinnen und Berater müssen eine Übertragungsstruktur schaffen, die den Wünschen Ihrer Kundin oder Ihres Kunden gerecht wird. Ohne Flexibilität wird es nicht gehen – wenn die Umstände es verlangen, müssen sie sich möglicherweise mit einzelnen Familiengruppen in unterschiedlichen Zusammensetzungen treffen oder bestimmten Nachkommen oder Gruppen eigene Berater zuweisen. Insbesondere vermögende Privatpersonen (HNWI) könnten zudem Wert darauflegen, den Informationsfluss zu begrenzen, vor allem, wenn es um Vermögenswerte geht. 

Familienbeziehungen verändern sich, Sie können sich also nicht darauf verlassen, dass die Prioritäten Ihrer Kundin oder Ihres Kunden während des gesamten Beratungsprozesses gleich bleiben werden. Im Zuge eines Vermögenstransfers kann viel passieren: Vielleicht kommt ein neues Enkelkind auf die Welt, ein Begünstigter gründet ein riskantes neues Unternehmen, eine andere Begünstigte lässt sich scheiden, ein Nachkomme engagiert sich plötzlich intensiv in einer wohltätigen Organisation; auch diese Liste ließe sich noch lange erweitern. Als Berater müssen Sie darauf vorbereitet sein, Ihre Herangehensweise an Veränderungen im familiären Umfeld anzupassen und Ihre Planungsstrategien regelmäßig zu überprüfen.

Ihr Leistungsangebot

Durch den regelmäßigen und kontinuierlichen Austausch mit Ihren Kundinnen und Kunden können Sie ein belastbares Leistungsangebot formulieren, das deren Bedürfnissen entspricht und sich an deren Leben anpasst. Ihr Leistungsangebot bildet den Kern der Beratungsbeziehung – die Beratung, die Sie auf Grundlage Ihres Wissensstandes zu den finanziellen Zielen, familiären Beziehungen und persönlichen Umständen Ihrer Kundinnen und Kunden erbringen. 

Im Rahmen Ihrer Segmentierungsanalyse können Sie feststellen, ob Ihre Kundin oder Ihr Kunde Vermögen auf- oder abbaut.

Wer Vermögen aufbaut, also Geld zurücklegt, ist wahrscheinlich berufstätig oder investiert aktiv, hat ein bestimmtes Ausgabeziel für die Zukunft im Auge und reagiert sensibler auf Gebühren, denn die Bedürfnisse dieser Kundengruppe sind meist einfacher als die von Kundinnen und Kunden, die im oder kurz vor dem Ruhestand stehen. Zwar möchten sie ihr Vermögen irgendwann an ihre Nachkommen übertragen, arbeiten jedoch immer noch daran, den „Kuchen zu vergrößern“, und streben daher vielleicht Mehrrenditen gegenüber einer bestimmten Benchmark an. Da Kundinnen und Kunden, die sich im Vermögensaufbau befinden, meist ähnliche Ziele haben, können auch die Beratungsleistungen homogener sein.

Wer dagegen den Kuchen ausreichend vergrößert hat und jetzt von diesem Leben will, baut Vermögen ab, entnimmt also Beträge aus seinem Portfolio. Damit dies möglichst effizient geschieht, ist diese Kundengruppe stärker auf Beratung angewiesen. Die Bedürfnisse dieser Kundinnen und Kunden sind in der Regel heterogener und erfordern eine hochgradig individualisierte Beratung. Sie sind wahrscheinlich älter und eher an personalisierten Dienstleistungen wie der Gründung von Trusts, wohltätigen Spenden und Nachfolgeplanung interessiert.

Obwohl die erste Gruppe in der Regel als weniger anspruchsvoll gilt als die zweite, hat auch diese spezifische Bedürfnisse, auf die Beraterinnen und Berater in ihrer Arbeit eingehen sollten, zum Beispiel Cashflow-Planung mit Schwerpunkt Altersvorsorge (und einem zukünftigen Wechsel von Vermögensaufbau zu Vermögensabbau), Versicherungs- und Schutzbedarf, Kreditaufnahme, Abwägung zwischen Schuldenabbau und Anlagen, Versorgung von zwei Generationen (Pflege der Eltern und finanzielle Unterstützung der Kinder), sowie Bildungsausgaben für ihre Kinder. Durch die Unterstützung von Sparerinnen und Sparern in den verschiedenen Phasen ihrer finanziellen Entwicklung können Vertrauen und Verständnis für einen eventuellen Vermögenstransfer entstehen.

Welchen Service Sie anbieten können, hängt letztlich von den Kapazitäten Ihres Unternehmens ab. In einem traditionellen Beratungsmodell werden sich Kundinnen und Kunden für Finanzplanung an Sie wenden, also Versicherungsberatung, Nachlass- und Lebensplanung sowie Steuer- und Anlageberatung.

Im Rahmen eines spezialisierteren Beratungsmodells unterstützen Sie Ihre Kundinnen und Kunden dagegen nicht nur durch Ihren eigenen Service, sondern auch durch ein Partnernetzwerk aus Kreditvermittlern, Steuerberatern, Anwälten, Versicherungsmaklern und anderen. Wenn Sie sich spezialisiert haben, ist es wichtig zu wissen, wann Sie welche Partner hinzuziehen sollten.

Durch eine Spezialisierung gewinnen Sie Zeit, die Sie in den Aufbau von Beziehungen zu Ihren Kunden investieren können – und damit auch in die notwendigen (wiederholten und oft emotionalen) Gespräche zum Thema Erbschaft und Nachlassplanung. Alternativ können Sie vielleicht Ihren Kundenstamm erweitern und sich um mehr Kundinnen und Kunden kümmern, die noch in der Vermögensaufbauphase stehen.

Abschließende Bemerkungen

In den kommenden Jahrzehnten wird Vermögen im Wert von mehreren Billionen von einer Generation auf die nächste übertragen. Beraterinnen und Berater sollten sicherstellen, dass sie auf diesen massiven Transfer angemessen vorbereitet sind. Die schiere Größenordnung dieser Verschiebung birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Ein Schlüssel zum Erfolg: die Entwicklung eines soliden Leistungsversprechens, das auch durch enge Zusammenarbeit mit Kundinnen und Kunden sowie deren Familien entsteht. 

Ein enger Austausch bedeutet, Chancen zu identifizieren, die sich Kundinnen und Kunden sowie deren Angehörigen durch einen Vermögenstransfer bieten; regelmäßig mit Kundinnen und Kunden zusammenzukommen, um deren Situation und Ziele zu besprechen; sicherzustellen, dass die Nachkommen in das Gespräch einbezogen werden; und Prozesse zu etablieren, die für alle Beteiligten sinnvoll sind. 

Um ein solides Angebot zu entwickeln, müssen Sie Ihren Service immer wieder verbessern und identifizieren, welche Merkmale Ihr Unternehmen und Ihre Beratung von anderen unterscheiden. Und natürlich müssen Sie ein robustes Geschäftsmodell entwickeln, das sich im Auf und Ab der Finanzdienstleistungsbranche behaupten kann. Um Wachstumspotenzial auszuschöpfen und Ihre Prozesse zu optimieren, sollten Sie außerdem über den Einsatz von Technologie nachdenken.

Auf einen Blick 

  • Erbinnen und Erben sind eine sehr heterogene Gruppe. Beraterinnen und Berater, die auch die nächste Generation betreuen wollen, sollten sich mit den Folgen des demografischen Wandels beschäftigen.

  • Frauen erhalten in der Finanzbranche nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen, obwohl sie einen Großteil des Vermögens erben werden, dass im Rahmen des Großen Vermögenstransfers weitergegeben wird.

  • Um Kundinnen und Kunden bei ihrer Transferplanung zu unterstützen, sollten Beraterinnen und Berater ein solides, abgestimmtes Leistungsangebot entwickeln und sich regelmäßig mit ihren Kundinnen und Kunden austauschen, damit sie deren Ziele und finanzielle Situation verstehen.

  • Beraterinnen und Berater sollten viel Zeit darauf verwenden, die Wünsche, Finanzkompetenz, familiäre Beziehungen sowie das Anlageverhalten und den Vorsorgebedarf älterer Kundinnen und Kunden zu kennen und zu verstehen.

Fußnoten

Quelle: Harvard Health Publishing, „Why men often die earlier than women“, 2020. 

Quelle: Pew Research Center, „Global, women are younger than their male partners, more likely to age alone“, 2020.

Quelle: Vanguard, „Closing the gender gap in IRA balances“, Mai 2024

4 Quelle: McKinsey, „Women as the next wave of growth in US wealth management“, 2020.

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