Bei der Suche nach einem passenden ETF müssen Anlegerinnen und Anleger unter anderem zwischen phyischer und synthetischer Replikation auswählen.1 In diesem Artikel erläutern wir beide Strukturen und geben Beraterinnen und Beratern Informationen an die Hand, mit denen sie eine möglichst fundierte Entscheidung treffen können. 

Physische ETFs 

Physische ETFs investieren in die Basiswerte eines Index und sind in der Regel transparenter und leichter verständlich als andere ETFs, außerdem bergen sie kein oder nur ein geringes Gegenparteirisiko. Sie bilden einen Index entweder durch vollständige Replikation, durch Stratified Sampling oder durch Optimierung ab, wie die nachstehende Grafik deutlich macht. 

Physical replication approaches

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Vollständige Replikation 

Vanguard ETFs replizieren ihre Indizes grundsätzlich vollständig, wo immer dies möglich ist. Zur Abbildung eines Index investiert ein ETF dabei in alle oder den größten Teil der Indexkomponenten, die entsprechend ihrem Anteil am Index gewichtet werden. 

Vollständige Replikation kommt häufig in ETFs zum Einsatz, die einfache, kapitalgewichtete Benchmarks für die Aktienmärkte der Industrieländer abbilden, etwa den S&P 500. 

Sampling und Optimierung 

Manchmal ist eine vollständige Replikation jedoch praktisch nicht umsetzbar oder wäre zu teuer. In diesen Fällen können ETFs ihren Index durch „Sampling“ replizieren, indem sie nur in eine Teilmenge der Komponenten des Stammindex investieren. 

Sampling soll das Risiko-/Renditeprofil eines Index korrekt nachbilden und kommt häufig in ETFs zum Einsatz, die umfangreiche Anleihe-Indizes replizieren. Optimierung soll den Tracking Error des Fonds (die annualisierte Standardabweichung der Überschussrendite gegenüber dem Referenzindex) minimieren und kommt meist in ETFs zum Einsatz, die große, globale Aktienindizes replizieren. 

Beide Methoden werden üblicherweise in ETFs verwendet, die Indizes mit zahlreichen oder weniger liquiden Komponenten abbilden. Anleihe-Indizes beispielsweise sind meist umfangreicher als Aktienindizes, zudem sind manche Komponenten von Anleihe-Indizes illiquide oder aus anderen Gründen schwer handelbar, da viele Anlegerinnen und Anleger Anleihen bis zu ihrer Fälligkeit halten. Durch Optimierung und Sampling versuchen Fondsmanager, die Merkmale dieser Indizes (Emittenten, Rendite, Laufzeit usw.) dennoch möglichst genau abzubilden. 

Wenig überraschend können Sampling und Optimierung im Vergleich zu vollständiger Replikation zu einem höheren Tracking Error führen. Erfahrene Fondsmanager können den Tracking Error jedoch minimieren und gleichzeitig die Transaktionskosten senken, den Portfolioumschlag reduzieren und illiquide Positionen vermeiden. 

Dabei ist zu beachten: Auch wenn im Verkaufsprospekt des Fonds Sampling oder Optimierung als Replikationsmethode angegeben werden, kann der Manager den Index dennoch durch vollständige Replikation abbilden. Das Gegenteil ist dagegen nicht zulässig. 

Worauf es bei physischer Replikation ankommt:

Wie diversifiziert ist das gewünschte Exposure?

Sind schwer handelbare Wertpapiere oder Vermögenswerte (z. B. Rohstoffe) bzw. schwer zugängliche Märkte (etwa Emerging oder Frontier Markets) Teil des Exposure?

Unterliegt der Markt regulatorischen oder rechtlichen Beschränkungen, die gegen physische Replikation sprechen (Kapitalkontrollen, Rückführungsbeschränkungen)?

Welche physische Replikationsmethode verwendet der ETF?

Kann der ETF-Anbieter das Exposure effektiv physisch abbilden, z. B. dank moderner oder globaler Trading-Infrastruktur, langjährige Erfahrung in der Verwaltung von Indexfonds und enger Beziehungen zu Brokern?

Ist der Anbieter mit den Handels- und Regulierungsstandards des lokalen Marktes vertraut?

Verleiht der ETF Wertpapiere?

Wertpapierleihe

Unter Wertpapierleihe versteht man den vorübergehenden Transfer („Verleih“) eines Wertpapiers von einer Partei an eine andere. Für den Verleih fällt eine Gebühr an, außerdem wird der Transfer besichert, z. B. durch Barmittel, Aktien oder Anleihen. Auch Swap-basierte ETFs können Wertpapiere verleihen; in der Praxis ist dies jedoch eher unüblich, da die Wertpapiere des Trägerportfolios in der Regel keinen hohen Leihwert haben. ETFs, die Wertpapiere verleihen, sind mit Gegenparteirisiken behaftet, also dem Risiko, dass der Kreditnehmer die Wertpapiere nicht zurückgibt. Auch das Risko einer Insolvenz des Kreditnehmers gehört zu den Gegenparteirisiken. Zum Schutz gegen einen Ausfall müssen die Kreditnehmer daher Sicherheiten mit dem gleichen oder einem höheren Marktwert als die geliehenen Wertpapiere hinterlegen. Abgewickelt werden Leihgeschäfte in der Regel über einen Vermittler zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber, z. B. eine Bank, die im Gegenzug einen Teil der Leiheinnahmen erhält. Mit den Einnahmen aus Leihgeschäften können die Fondsmanager einen Teil der laufenden Kosten des ETF ausgleichen und so die Gesamtkosten senken, was den Tracking Error des Fonds verbessert. Anders als die meisten anderen Fondsmanager profitiert Vanguard nicht von Leihgeschäften, sondern schüttet alle Einnahmen aus Leihtransaktionen abzüglich Kosten an die Fonds aus. 

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Worauf es bei Leihgeschäften ankommt:

Welcher Anteil der Bruttoeinnahmen aus Leihgeschäften fließt an den ETF, wie viel an den ETF-Manager?

Welche Leihstrategie setzt der ETF-Anbieter um?

Nach welchen Kriterien wählt der ETF-Anbieter Gegenparteien aus?

Ist der ETF gegen Ausfälle von Gegenparteien geschützt?

Ist das Leihvolumen begrenzt?

Welche Sicherheiten akzeptiert der ETF-Manager?

Welche Sicherheiten akzeptiert der ETF-Manager?

Synthetische ETFs

Synthetische ETFs bilden die Rendite eines Index durch Swaps ab. Konkret erhält die Gegenpartei einen variablen Spread und verpflichtet sich im Gegenzug, die Indexrendite an den ETF auszuzahlen.

An den Aktienmärkten der Schwellenländer ist synthetische Replikation verbreitet, da Schwellenländeraktien weniger liquide und schwerer zugänglich sind als Aktien aus Industrieländern. Auch bei OGAW-konformen S&P 500-ETFs ist synthetische Replikation verbreitet, da diese in den USA steuerlich begünstigt wird. Bestimmte aktiengebundene Instrumente, darunter auch synthetische S&P 500-ETFs, sind von der Quellensteuer befreit und erhalten daher 100% der Ausschüttungen der im S&P 500 enthaltenen Unternehmen. 

ETFs auf einzelne Rohstoffe sind in der Regel physisch durch Edelmetalle besichert, die in Hochsicherheitstresoren in der Schweiz lagern. OGAW-ETFs, die einen diversifizierten Rohstoffkorb abbilden, tun dies meist durch synthetische Replikation. Diese Indizes bestehen aus rollierenden Rohstoff-Futures und nicht aus physischen Vermögenswerten, die aufgrund der Lager- und Versicherungskosten nur schwer handelbar sind. 

Die wichtigsten Replikationstechniken synthetischer ETFs sind das Unfunded Model und das Fully Funded Model. 

Unfunded model

Beim Unfunded Model schließt der ETF einen Total Return Swap mit einer oder mehreren Gegenparteien ab, wobei Letzteres die Gegenparteirisiken reduziert. Mit den Einlagen der Fondsanlegerinnen und -anleger kauft der ETF-Manager einen sogenannten Reference Basket oder Substitute Basket (zu Deutsch: Trägerportfolio). 

Dieses Trägerportfolio wird häufig von der Swap-Gegenpartei gekauft und meistens im Rahmen einer Drei- oder, in einigen Fällen, Vier-Parteien-Vereinbarung als Sondervermögen und somit getrennt von den Vermögenswerten des ETF-Managers und der Swap-Gegenpartei verwaltet, was die Risiken begrenzt. 

Die Rendite des Trägerportfolios fließt also an den Swap-Anbieter, der sich im Gegenzug verpflichtet, dem ETF die Indexrendite auszuzahlen. Die nachstehende Grafik verdeutlicht die Struktur. 

Bei einem Unfunded Model kann das Trägerportfolio Wertpapiere enthalten, die nicht Teil des Index sind. Das bedeutet, dass Anlegerinnen und Anleger bei einem Ausfall der Gegenpartei das angestrebte Index-Exposure verlieren. 

Synthetische ETFs, die nach dem Unfunded Model funktionieren, sind also höheren Gegenparteirisiken ausgesetzt als physische Fonds. Dieses Risiko entspricht der Differenz zwischen dem Nettoinventarwert (NAV) des ETF und dem Wert des Trägerportfolios. Bei OGAW-konformen Fonds ist diese Differenz – oft als Bewertungslücke bezeichnet – auf maximal 10% des Nettoinventarwerts des ETF begrenzt.

Der Swap-Preis wird täglich anhand des Marktwerts festgestellt. Wenn das Exposure auf die Swap-Gegenpartei 10% des NAV des ETF übersteigt, wird der Swap zurückgesetzt. In diesem Fall überträgt der Swap-Anbieter zusätzliche Wertpapiere in das Trägerportfolio. Die Reset-Mechanismen von Swaps sind von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Der Schwellenwert, ab dem der Swap zurückgesetzt werden muss, wird in der Regel im Rahmen der Swap-Vereinbarung festgelegt, die Vertragsdetails werden jedoch nicht immer öffentlich gemacht. 

Das Unfunded Swap Model

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Due Diligence

Synthetische ETFs, die einen Index nach dem Unfunded Model replizieren, erfordern einen höheren Prüfungsaufwand. Erstens können die Wertpapiere im Trägerportfolio (die häufig von der Swap-Gegenpartei ausgewählt werden) weniger liquide sein als die Indexkomponenten. Wer in einen synthetischen ETF investiert, sollte daher auf der Website des ETF-Anbieters das Trägerportfolio überprüfen.

Zweitens weicht das Risiko-/Renditeprofil des Trägerportfolios in der Praxis häufig von dem des Index ab, den der synthetische ETF abbilden soll. Neben der Qualität des Trägerportfolios sollten Beraterinnen und Berater daher auch überprüfen, ob dessen Struktur mit dem Risiko-/Renditeprofil der Kundin oder des Kunden übereinstimmt – was sich als schwierig herausstellen kann. Die meisten Anbieter synthetischer ETFs veröffentlichen die Bestandteile ihres Trägerportfolios täglich auf ihrer Website, historische Bestandsdaten sind dagegen nur schwer erhältlich. Daher lässt sich nur schwer nachvollziehen, wie sich die Zusammensetzung des Trägerportfolios im Vergleich zum Basisindex im Laufe der Zeit verändert.

Fully Funded Model

Unter dem Fully Funded Model überträgt der ETF die Einlagen der Anlegerinnen und Anleger an die Swap-Gegenpartei, die im Gegenzug die Indexrendite an den ETF auszahlt. Zur besseren Risikosteuerung werden Sicherheiten bei einer externen Partei hinterlegt, z. B. einer Depotbank. 

Die Sicherheiten können entweder auf den ETF übertragen (Eigentumsübertragung) oder an diesen verpfändet werden (Verpfändungsvereinbarung). Bei einer Eigentumsübertragung überträgt die Verwahrstelle im Falle eines Ausfalls der Gegenpartei Vermögenswerte aus dem Sondervermögen an den ETF. Bei einer Verpfändungsvereinbarung werden die Sicherheiten dagegen auf ein verpfändetes Konto der Gegenpartei gebucht, der ETF hat also keinen direkten Zugriff auf die Vermögenswerte. 

Beraterinnen und Berater, die synthetische ETFs für ihre Kundinnen und Kunden kaufen, sollten daher stets die Zusammensetzung der Sicherheitskörbe überprüfen. 

Einige, aber nicht alle, ETF-Anbieter veröffentlichen diese Information auf ihrer Website. Nach der OGAW-Richtlinie müssen die Sicherheiten bestimmte Liquiditäts- und Diversifizierungsanforderungen erfüllen. Viele Manager synthetischer ETFs reduzieren Gegenparteirisiken zusätzlich Besicherung von 100% oder mehr. 

Genau wie beim Trägerportfolio unterscheidet sich die Zusammensetzung des Sicherheitskorbs von der des Index. In Phasen größerer Kursschwankungen kann es passieren, dass die als Sicherheiten hinterlegten Wertpapiere an Liquidität verlieren, insbesondere außerhalb der Handelszeiten der jeweiligen Märkte.

Zielkonflikt zwischen Tracking Error und Transparenz

Vor allem in weniger liquiden Märkten wie den Aktienmärkten der Schwellenländer, die physische ETFs häufig durch Sampling oder Optimierung abbilden, haben synthetische ETFs meist einen niedrigeren Tracking Error.

Im Gegenzug für den besseren Tracking Error sind synthetische ETFs jedoch weniger transparent als physische, wenn es um die Tracking-Differenz geht, also die Differenz zwischen Indexrendite und Fondsrendite.3 Die wichtigsten Einflussfaktoren der Tracking Difference von synthetischen ETFs sind die laufenden Kosten und die Swap-Spreads. Die laufenden Kosten erhöhen die Tracking Difference eines ETF, der Swap-Spread kann sich dagegen sowohl positiv als auch negativ auswirken.

Eine genaue Aufschlüsselung der Tracking Difference synthetischer ETFs ist grundsätzlich schwierig: Die laufenden Kosten (Gebühren) sind bekannt, Informationen zum Swap-Spreads werden dagegen seltener veröffentlicht. Würden die Swap-Anbieter Kosten und Reset-Mechanismen der Swaps veröffentlichen, wären synthetische ETFs transparenter.

Worauf es bei synthetischer Replikation ankommt:

Arbeitet der ETF-Manager mit nur einer oder mit mehreren Swap-Gegenparteien zusammen?

Ist die Wertschöpfungskette des ETF, also Fondsmanager, Market Maker, Swap-Gegenpartei und Depotstelle, für Anleger transparent? Bestehen möglicherweise Interessenkonflikte?

Wie hoch ist der aktuelle Swap-Spread, wie hoch war er früher? Wie oft verändern sich die Swap-Spreads und wie werden Anleger über diese Veränderungen informiert?

Nach welchen Regeln werden die Qualität und die Liquidität des Trägerportfolios festgelegt?

Nach welchem Verfahren und in welchem Zeitrahmen werden neue Swap-Gegenparteien ausgewählt, wenn die bisherige Gegenpartei ausfällt?

Wie riskant sind die Sicherheiten? Entspricht die Asset-Allokation dem Risikoprofil des Anlegers?

Kann der Fonds bei einem Ausfall der Gegenpartei leicht auf die Sicherheiten zugreifen (bei Fully Funded Swaps)?

Wie oft wird der Swap zurückgesetzt? Wie hoch ist der Zielwert für die Sicherheiten oder das Trägerportfolio?

Veröffentlicht der ETF-Manager Informationen zum Trägerportfolio oder zu den Sicherheiten?

Werden Gegenparteirisiken auf der Website des Anbieters veröffentlicht und bewertet?

Auf einen Blick 

  • Bei der Entscheidung für eine Replikationsmethode sollten Beraterinnen und Berater auf Eigentumsrechte, die zu erwartende Tracking-Qualität, ihr Exposure und die Komplexität des Produkts achten.

  • Physische ETFs sind vergleichsweise transparent und klar verständlich.

  • Synthetische ETFs können Anlegerinnen und Anlegern effizienten Zugang zu weniger liquiden Märkten und Nischensegmenten bieten.

  • Synthetische ETFs haben in der Regel einen niedrigeren Tracking Error als physische, die Tracking Difference lässt sich dagegen wegen intransparenter Swap-Kosten nur schwer beurteilen.


Synthetische Replikation wird manchmal auch als derivative Replikation bezeichnet.

Die Anbieter synthetischer ETFs können noch strengere Kriterien anwenden als nach der OGAW-Richtlinie vorgeschrieben.

Synthetic ETFs under the Microscope: A Global Study. Morningstar ETF Research, Mai 2012.

Dies ist eine Zusammenfassung von An Overview of Physical and Synthetic ETF Structures von Marco Corsi, PhD, Nusrath Hussain und David Hsu, veröffentlicht im Dezember 2020. 

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Wichtige allgemeine Hinweise

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